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Koramu-Sonderausgabe

Artikel erstellt von Jens Sobotta am 19.03.2011
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Auch das Lager der „Gamer“ lässt mich mal wieder fragend zurück. War man so überfordert mit der Situation, oder verstand einfach nicht was in Nippon passiert ist? Ich machte mir die Mühe und bin die Kommentare der einschlägigen, großen Spiele-Webseiten durchgegangen. Entweder wurde überhaupt nichts zur Lage Japans geschrieben oder wenn war lediglich die Besorgnis um die ach so wichtigen Spielefirmen groß. Freilich gab es auch Kommentare des Entsetzens, der Anteilnahme am Leid der Japaner, vermehrt dominierend waren aber die Spielefirmen. Da wurde Sorge um Nintendo, Capcom, Konami und Co. geäußert, die Hoffnung das „Spiele nicht verschoben werden“. IGN, die nichts besseres zu tun hatten, als schnell eine Grafik zu erstellen, auf der man zeigte, dass alle großen und demnach „wichtigen“ (laut IGN sind nur die großen Hersteller wichtig!) Spielefirmen ihren Sitz in Tokyo haben (mit der Ausnahme von Nintendo und Capcom, die ihren Hauptsitz in Kyoto respektive Osaka mit zusätzlichen Außenstellen in Tokyo haben), womit man die womöglich pubertäre, kommentierte Menge beruhigte. Ich streite nicht ab, dass wenn man sich intensiver mit Videospielen beschäftigt, man zwangsläufig bei solch einer Naturkatastrophe irgendwann an „seine“ Videospiele denkt. In meinen Augen sind die Entwickler aber Menschen wie alle anderen auch, wie du und ich. Ich dachte nicht zuerst speziell nur an sie, ich dachte an die gesamte Menge. Das Leben dreht sich eben nicht nur um Videospiele. Es ist ein Hobby wie jedes andere auch. Erschreckend, dass einige „Gamer“ die Ereignisse nutzten, um falsche Todesmeldungen zu bekannten, japanischen Persönlichkeiten wie Pokémon-Erfinder Satoshi Taijiri zu schnüren, die andere Leute wiederum aufnahmen und das sie auf einmal doch sehr bedrückt über die Geschehnisse in Japan blicken ließ. Eine andere Falschmeldung über Twitter war die „erschreckende Zerstörung der Gundam-Statue“ (als ob diese so wichtig wäre...) die ebenfalls für viele traurige Gesichter sorgte, nach der Aufklärung aber abstoßende Kommentare wie „Dann ist es ja doch nicht so schlimm“ hervorrief. Glaubt mir, wenn ich schreibe, dass ich selbst jetzt noch kopfschüttelnd hier sitze. Selbst Kotakus Brian Ashcraft, der eigentlich ziemlich flott darin ist, über Nicht-Videospiel-spezifische Themen zu berichten, hielt die virtuelle Druckpresse an und meldete sich erst mit Videospiel-spezifischen Neuigkeiten zu Wort, dann aber immerhin mit ein paar zusätzlichen Einblicken auf den Alltag nach der Katastrophe. Zum Glück wusste Jim Sterling sich zu benehmen. Andererseits: Traurig, dass ich so etwas überhaupt erwähnen muss...

Als ich vom apokalyptischen Erdbeben und Tsunami gehört habe, waren Videospiele das Letzte an das ich dachte. Verdammt, ich habe überhaupt nicht an sie gedacht. Was ich für eine Selbstverständlichkeit halte, seht ihr vielleicht anders, was okay, für mich aber nicht nachvollziehbar ist. Vielleicht weil diese ach so tolle interaktive Unterhaltungselektronik einen kleineren Stellenwert in meinem Leben hat. Wer weiß das schon so genau. Selbstredend kann ich es aber nachvollziehen, dass mittlerweile der Drang nach Informationen über die Auswirkung der Katastrophe auf die japanische Videospielindustrie groß ist. Und da Gamingmedia noch immer ein Magazin über Videospiele ist, komme ich dieser Aufgabe selbstverständlich nach. Letztlich gibt es Auswirkungen, teilweise sogar sehr große. Hierfür muss man verstehen, dass der Süden Japans kaum etwas vom Erdbeben gespürt hat, dort das normale Leben mit einem stetigen Blick auf die Ereignisse im Norden weitergeht. Dass viele Japaner trotzdem keine allzu große Lust auf Videospiele haben ist in meinen Augen mehr als nur verständlich ist. Phantasie dient, wie bereits weiter oben geschrieben, zur Situationsbewältigung, doch den inneren Schalter umlegen, um alles andere für eine kurze Zeit zu vergessen, ist nach solchen Ereignissen schwer. Damit die Kinder die Katastrophe besser verarbeiten können, strahlen einige Sender zu bestimmten Uhrzeiten Zeichentrickserien aus, was sicherlich nicht verkehrt ist.

Wenig überraschend wurden einige Spiele, insbesondere die, die in irgendeiner Form eine Katastrophe beinhalten, verschoben. Ursprünglich mit einem Release für den 18. März 2011 geplant, hat Sega Yakuza Of the End auf ein noch unbekanntes Datum verschoben. Im neusten Teil der in Japan sehr populären Serie wird die an Tokyos Stadtviertel Kabukicho angelehnte, fiktive Stadt Kamurocho von einer mysteriösen Zombie-Invasion zerstört; die zerstörten Areale erinnern stellenweise an von Erdbeben beschädigte Gebiete. Zeitgleich zum Release sollten noch zwei ausstehende Termine der großen Promotion-Tour in Osaka und Hiroshima durchgeführt werden, die verständlicherweise komplett abgesagt wurden. Obwohl Sega die Naturkatastrophe nicht als Grund für die Verschiebung angab, sondern lediglich von „wegen verschiedener Umstände“ sprach, so meldete sich Produzent Toshihiro Nagoshi über seinen persönlichen Blog zu Wort. Er schrieb unter anderem, dass es der Wunsch von ihm und seinem Team war, das Spiel aufgrund der aktuellen Lage in Japan zu verschieben, obwohl das Team stolz sei, weil bisher noch nie ein Yakuza-Teil verschoben wurde. Dieses Mal entschloss man sich aber dafür, einen anderen Stolz zu zeigen. Entsetzt verbrachte er die letzten Tage vor dem Fernseher und hofft, dass bald der Tag kommt, an dem er mit guten Gewissen Yakuza Of the End veröffentlichen kann. Komplett konnte Sega die Auslieferung des Spiels übrigens nicht stoppen. Die jeweiligen Läden haben aber bereits angekündigt, die erhaltenden Kopien wieder zurückzuschicken und nicht zu verkaufen.

Ebenfalls vollkommen verständlich ist die ebenfalls auf „TBA“ gesetzte Verschiebung von Sonys MotorStorm: Apocalypse, bei dem Rennen in von Erdbeben erschütterten Gebieten ausgetragen werden. Sony verschob das Spiel auch in Neuseeland, aus Respekt vor den Opfern der Katastrophe in Christchurch. Aus dem Vereinigten Königreich hört man ebenfalls eine Release-Verschiebung, während im restlichen Europa (u.a. Deutschland) wie auch den USA das Spiel wie geplant diese Woche erscheint. Weitere namenhaften Verschiebungen wären Nintendos nächster First-Party-3DS-Titel Steel Diver aber auch Download-Inhalte auf der PS3 für beispielsweise Marvel vs. Capcom 3 oder Assassin's Creed Brotherhood. Die Gründe hierfür könnte die temporärere, schlechte Verfügbarkeit des PlayStation Networks in Japan sein. Da u.a. in Tokyo für mehrere Stunden der Strom abgestellt wird (um Energie zu sparen), hat sich Konami dazu entschieden, die japanischen Metal Gear Online-Server abzuschalten. Auch Square Enix hat seit dem 13. März für eine Woche weltweit alle Server der beiden Online-Rollenspiele Final Fantasy XI sowie Final Fantasy XIV abgestellt. Als Entschädigung werden zumindest die Final-Fanasy XI-Abogebühren für den Monat April ausgesetzt. Unter den Stromabstellungen „leiden“ auch viele der Entwickler, beispielsweise Konami. Hideo Kojima twittert von Halbtagsarbeiten und lobt dabei Sonys Solar Charger, der es ihm erlaubt, auch während der Strom-losen Phasen weiterhin an seinen Manuskripten zu arbeiten. Nicht alle Studios arbeiten weiter. Grasshopper, Sega sowie Square Enix gaben ihren Mitarbeitern frei und schlossen bis auf weiteres ihre Büroräume in Tokyo. Capcom musste hingegen zehn Arcade-Hallen wegen Wasserschäden schließen. Spiele-Übersetzer Matt Alt (u.a. Dragon Quest VIII, Ninja Gaiden 2) vermeldete, dass viele seiner Klienten, die normalerweise sehr strenge Deadline für Übersetzungen, fordern, lockerten. Um den Menschen eine andere Sicht als etwa das amerikanische Fernsehen zu geben, übersetzt er in der Zwischenzeit viele der japanischen News-Meldungen.

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