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Koramu #2

Artikel erstellt von Jens Sobotta am 05.06.2010
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Freunde, mein Herz blutet. Kurz vor der Veröffentlichung des ersten Koramus ließ Shinji Mikami, der Mann hinter Resident Evil, während eines Interview mit dem britischen Magazin EDGE verlauten, dass Capcom ihm zu viel Freiraum bei der Entwicklung zu God Hand gab. Mikami erklärte, dass er während der Entwicklung des PS2-Spiels viel mehr auf seine eigenen Bedürfnisse und Freuden geachtet hatte, als sich am Massenmarkt zu orientieren. God Hand, so Mikami, sei deshalb eine Kreation dessen, was er mochte, und nicht etwa das, was die potentiellen Kunden sehen wollten. Ich muss wohl nicht extra betonen, wie bedrückt ich diese Aussage aufgenommen habe. Ein Mann, von dem ich viel halte, entschuldigt sich öffentlich dafür, dass er etwas geschaffen hat, das er mag, etwas was er spielen wollte. Meine persönlichen Erwartungen an Vanquish, Mikamis nächstes Spiel, sind dementsprechend von 100 auf ungefähr 40 Prozent gesunken, unter anderem deshalb, weil er gegenüber der EDGE bestätigte, dass dieser Fehler ausgeräumt, und bei Vanquish nicht wiederholt wird. Wörtlich sagt er: „Wir werden definitiv etwas mehr in Richtung Massenmarkt entwickeln“. Und da habt ihr's. Kann Vanquish also dennoch noch das zweite, bessere God Hand werden? Vielleicht.

Der berühmte Filmkritiker Roger Ebert machte vor kurzem wieder auf sich aufmerksam, als er behauptete, dass Spiele niemals Kunst sein werden. Ich möchte nun keine Diskussion auslösen, in der wir Stunden darüber debattieren, ob Videospiele Kunst sind, vor allem weil jeder Mensch Kunst anders definiert. Meiner bescheidenen Meinung nach kann man dann von Kunst reden, wenn der Künstler komplette Freiheit bei der Kreation seines Werkes erhält. Keine hochnäsigen Anzugträger aus dem Sales Department, die vorschreiben was gemacht werden muss, keine PR-Leute, die dieses und jenes sehen möchten, um das Werk zu vermarkten. Nur er entscheidet. Ihr wisst sicherlich, auf was ich hinaus möchte. Andere Personen sehen die Sache mitunter anders. Vielleicht ist etwas für euch Kunst, wenn jemand etwas erschafft, beispielsweise ein Gemälde malt, oder eine Figur für ein Videospiel erstellt. Vielleicht sind für euch die Designer der Städte in Project Gotham Racing Künstler, weil sie virtuelle Ebenbilder der realen Städte modellieren. Vielleicht sind die Designer bei Rockstar für euch Künstler, da sie in GTA IV größtenteils New York City dargestellt haben. Ich sehe es eben nur anders. Und wie so vieles im Leben, unter anderem wie das Empfinden und die Bewertung bei Videospielen: Alles ist subjektiv.

Bezogen auf meine Definition von Kunst, gibt es durchaus einige Videospiele, die man als solche bezeichnen kann, sofern man es möchte. Da wäre zum einen Katamari Damacy, ein Spiel von einem Japaner, der sich Videospielen eigentlich nicht sonderlich hingezogen fühlt, aber das machte, auf das er Lust hatte. Namco Bandai gefiel das Konzept, sie ließen es entwickeln. Mittlerweile sind einige Katamari-Spiele erschienen. Ich habe nicht alle gespielt, und ehrlich gesagt wurde mir selbst beim Erstling nach rund einer Stunde langweilig, aber das war sowieso nicht das Spiel, welches man zwei oder drei Stunden am Stück spielt. Wieso auch? Die gesamte Mechanik beruhte darauf, mit seinem grünen Männchen und seinem kleinen Ball Müll aufzusammeln, woraufhin der Müllball immer größer wurde. Eine Bildschirmanzeige wies darauf hin, wie groß der Ball mittlerweile ist; umso größer der Ball, umso schwieriger wurde es, ihn zu kontrollieren. Das Ziel: In der gegebenen Zeit so viel Müll wie erforderlich aufsammeln. Das macht Spaß, für eine gewisse Zeit. Anschließend legt man das Spiel weg, und wirft es am nächsten Tag vermutlich wieder für 30 oder 60 Minuten in die Konsole. Das ganz nebenbei noch eine Umweltschutzaussage gemacht wurde, sei hier nur am Rande erwähnt. Doch im Kern war Katamari Damacy ein Spiel. Ein waschechtes Spiel. Kein interaktiver Film, kein Spiel, das gerne ein Film wäre. Nein, es war ein Spiel.

Diese Ausgabe von Koramu erhält von mir den inoffiziellen Untertitel: „Japan, wo sind deine Spiele?“, unter anderem deshalb, weil ich mit starkem Stirnrunzeln mitansehen muss, wie einst die Schöpfer von legendären Spielereihen, die Verantwortlichen für die Videospiel-Renaissance nach dem großen Crash 1983, von den Amerikanern mit ihrer High-Five-Mentalität mitunter ausgebootet werden und mittlerweile sogar ihre eigenen Franchises an jene „Westler“ abgeben, damit diese ein neues Spiel auf Basis ihrer Kreation entwickeln. Ich für meinen Teil halte japanische Videospiele noch immer für großartig, wenn auch die Goldene Ära vorbei ist. Konnte man noch zu PS2- oder Dreamcast-Zeiten behaupten, dass die meisten Innovationen aus dem Land der aufgehenden Sonne kamen, stagniert die aktuelle Weiterentwicklung auf den so genannten Next-Generation-Konsolen, obwohl sie eigentlich mittlerweile Current-Gen heißen müssten, aber Next-Generation klingt eben cooler, was zur High-Five-Mentalität passt. Fairerweise muss man dazu aber sagen, dass es bei den westlichen Entwicklern prinzipiell nicht anders ist. Die Top-Seller, sprich die Spiele, die sich in den letzten Jahren am meisten verkauft haben, haben irgendwas mit Halo, Call of Duty oder GTA zu tun. Was ist an diesen Sequels anders als an ihren Vorgängern? Sie sind größer, objektiv betrachtet womöglich besser, vor allem aber hübscher. Und das sind, in meinen Augen, die Leitwörter, mit denen man die derzeitige Generation an Computer- und Videospielen beschreiben kann, auch wenn ich hinter „besser“ einfach mal ein ganz, ganz großes Fragezeichen setze. Denn ist etwas automatisch besser, nur weil es hübscher oder gar größer ist?

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