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Koramu-Sonderausgabe

Artikel erstellt von Jens Sobotta am 19.03.2011
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Mir fällt es, ehrlich gesagt, sehr schwer die folgenden Zeilen zu schreiben. Nicht nur, weil ich eine persönliche Sympathie gegenüber Japan habe, sondern auch, weil sich die kataklysmischen Bilder seit letzten Freitag in meinen Kopf gebrannt haben. Nur im Ansatz können wir verstehen, was die Menschen in Japan gerade durchmachen, oder generell die Menschen nach solch desaströsen Naturkatastrophen erleben. Sei es Haiti, Chile, New Orleans oder der schwere Tsunami in Sumatra 2004. In den ersten Stunden, nachdem sich die Bilder des schweren Erdbebens und des anschließenden Tsunamis verbreiteten, war meine Gefühlslage durcheinander gewürfelt: Trauer, Mitleid, Angespanntheit, Entsetzen, Wut. Letzteres vor allem auf die Stümperhaftigkeit sowie Ignoranz mancher Menschen, aber auch die Berichterstattung mancher, vorwiegend deutscher Medien. Doch der Reihe nach. Was ist überhaupt geschehen?

Als am 11. März 2011 um 14:45 Uhr Ortszeit die Erde in Japan bebte, gingen die meisten Bürger noch von einer der zahlreichen, „gewöhnlichen“ Erschütterungen, die das Land mehrmals im Jahr treffen, aus. Man ist an so etwas gewöhnt, weiß wie man sich zu verhalten halt. Schnell wurde allerdings klar, dass dieses Erdbeben, das später von der zuständigen Behörde mit einer Stärke von 9,0 auf der Richterskala eingestuft wurde, keines dieser gewöhnlichen Beben war. Das Epizentrum des schwersten Erdbebens der japanischen Geschichte lag nur wenige Kilometer vor der Küste der Millionenstadt Sendai. Keine 15 Minuten nach dem erschütternden Beben rast eine an vielen Stellen über zehn Meter hohe Wasserwelle auf die nordöstlichen Küstengebiete der Vulkaninsel zu. Dank Japans Erfahrung mit Erdbeben und Tsunamis und den zahlreichen Frühwarnsystemen wurden viele Bürger rechtzeitig gewarnt, die betroffenen Gebiete sofort zu verlassen. Als um 15:11 Uhr der Tsunami den Hafen nahe Sendai besonders schwer traf, waren bereits über 20.000 Menschen evakuiert. Die Wassermaßen drängten sich mehrere Kilometer ins Landesinnere, rissen Häuser, Bäume und Autos mit sich, begruben Menschen unter sich; Stunden später fanden Rettungstruppen 300 Leichen, die vom Wasser an einen Strand geschwemmt wurden. Allein beim Betrachten der Wassermassen zuckten mir alle Körperteile zusammen: Die Wellen rissen apokalyptisch alles mit sich. Man konnte nur hoffen, dass genügend Menschen sich in der kurzen Zeit in Sicherheit bringen konnten.

Über den Tag verteilt gingen immer mehr Hiobsbotschaften ein: In der Hafenstadt Minamisanriku im Nordosten Japans wurden rund 10.000 Menschen vermisst – fast jeder zweite Einwohner der 17.000 Menschen großen Stadt. Es sollte aber bis zum nächsten Tag dauern, bis die Regierung und das japanische Fernsehen einen genauen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe geben konnten. Zu sehen waren komplett von den Wassermassen zerstörte Ortschaften, in denen vielleicht ein, zwei, drei Häuser noch standen – der Rest wurde vollständig zerstört. Die Infrastruktur war eingebrochen, Straßen und Schienen zerstört, Teile des Landes von der Außenwelt abgeschnitten. Das was viele befürchtet haben, ist eingetreten. Stündlich stieg die Zahl der zu befürchtenden Todesopfer. Laut einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders NHK stieg die Zahl der Todesopfer auf über 4100. Die Zahl der Vermissten geht allerdings nach wie vor in die Tausende – sie liege bei mindestens 12.000, so der Sender. Und dennoch sind das noch immer weniger als nach dem Seebeben im indischen Ozean 2004. Damals waren über 200.000 Tote zu beklagen. Ein Zeichen dafür, dass Japan auf solche Katastrophen vorbereitet war und durch die technischen Errungenschaften im Bereich der Frühwarnsysteme, aber auch durch den Bau von Deichen, deren Tore sich binnen Minuten schließen lassen, zahlreiche Menschenleben retten konnten. Dass aber selbst die besten Schutzmaßnahmen nicht vor solch einer schweren Naturkatastrophe schützen, zeigt sich allerdings auch, insbesondere in den Gebieten, in denen der technische Fortschritt, der in den Metropolen des Landes herrscht, nicht zu spüren ist. Das, was wir alle an Japan lieben, dieser Mix aus Tradition und Moderne, wurde bei diesem schweren Beben zerstört – und begrub zahlreiche Menschen unter sich. Nicht auszumalen, was in Tokyo passiert wäre, wenn man dort die Gebäude nicht erdbebensicher gebaut hätte...

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