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Koramu #2

Artikel erstellt von Jens Sobotta am 05.06.2010
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Videospiele von der Vulkaninsel unterscheiden sich oftmals gegenüber ihren westlichen Pendants. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, etwa beim Gamedesign, manchmal aber auch ziemlich große, etwa wenn androgyne Kulleraugen-Helden die Welt vor dem ultimativen Böse bewahren wollen. Viele westliche Spieler kommen damit nicht klar, sie wollen lieber die knallharten, muskelbepackten Burschen, etwa einen Marcus Fenix oder Kratos, den grimmigen Antihelden, der alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, in einem unglaublich Spielspaß-fördernden und absolut innovativen Quick-Time-Event (Ironie, übrigens) in zwei Teile zerhackt. Japans Popkultur hat Einfluss auf vieles: Musik, Comics, Animationsfilme, Realfilme aber eben auch Videospiele. Alles wirkt ein wenig Comic-hafter, ein wenig anders. Habt ihr jemals eine TV-Sendung, etwa über YouTube, gesehen? Ständig werden irgendwelche Schriftzeichen eingeblendet, um die Aktion oder die Aussage der Moderatoren zu bekräftigen; Bild-in-Bild-Ausschnitte zeigen die mitunter gestellten Emotionen. Viele Japaner übernehmen diese Eigenschaften. Wird etwa in einer Sendung gekocht, reagieren die Gäste meist mit einem gestellten „oishiiiii“ (zu Deutsch: lecker), dass man denkt sie haben gerade den besten Orgasmus ihres Lebens erlebt. Befragt nun einen Büro-Angestellten oder sonst wen, ob ihm dieses oder jenes Gericht geschmeckt hat, er wird auf genau die gleiche Art und Weise antworten. Als man während einer Frühstückfernsehen-Sendung den Mehrspieler-Modus von Dragon Quest IX demonstrierte, hätte man denken können, dass die Moderatoren zum ersten Mal einen Nintendo DS oder gar ein Videospiel in den Händen halten - wohlgemerkt in einem Land, in dem die interaktive Unterhaltungselektronik fester Bestandteil der Popkultur ist. Zu viert kämpften sie gegen den zweiten Boss, den Schwarzen Ritter. Jede Aktion, jeder Heilzauber, einfach alles wurde mit Adjektiven wie unglaublich, sensationell oder atemberaubend kommentiert. In einer Form, in der jedem noch so vernünftigen Menschen einfach nur schlecht werden würde. Mir ist durchaus bewusst, dass man nur aus Marketing-Zwecken Dragon Quest IX spielte, man vergleiche die Situation aber mal mit einer hiesigen TV-Sendung. Du, genau Du, wärest wohl der erste, der in sein Lieblingsforum schreibt: „Lol, Sendung XYZ ist mal epic fail“. Worauf ich eigentlich hinaus möchte: Charaktere in aktuellen Mangas oder Animes reagieren genauso. Und genau diese sind für viele heutige Entwickler eben die Inspirationsquelle Nummer Eins. Warum sehen die Helden in Star Ocean IV so aus wie aus Manga XYZ? Weil die Kunden es mögen. Wer bringt in Erfahrung, ob die Leute es so möchten? Das Sales Department. Hideo Kojima erzählt zwar noch immer davon, dass er den Geheimagenten Solid Snake in Metal Gear Solid 2 aus einem anderen Blickwinkel präsentieren wollte, weshalb man Raiden erfand. Im offiziellen Making-of sprach er hingegen davon, dass man mit dem leicht feminin aussehenden Blondschopf vor allem weibliche Spielerinnen anlocken wollte. Umfragen ergaben nämlich, dass diese lieber mit jungen Helden durch virtuelle Welten turnen, als mit dem reifen Gemüse.

Aber selbst Spiele, die auf den ersten Blick nicht sonderlich japanisch wirken, können, wenn auch meist gut versteckt, ihre Herkunft nicht verbergen. Das Zombie-Spiel Dead Rising, das ich aus rechtlichen Gründen einfach mal „Gesellschaftskritik im Kaufhaus“ nenne, weißt einige japanische Mechaniken auf. Da wäre das suboptimale Level-System, das dem Spiel einen leichten RPG-Touch verleiht. Vor allem sticht aber das Speichersystem heraus, das es eigentlich unmöglich macht, mal eben nur für 30 Minuten sich ein wenig auszutoben. Gespeichert wird nämlich nur im einzigen Sicherheitsraum, oder auf den Toiletten. Der Weg zu diesen Punkten ist meist mit einer Schar an Zombies blockiert, sodass man sich ständig überlegen muss, ob man lieber ein Game-Over während dem Voranschreiten im Kaufhaus riskiert, Person XYZ rettet oder gar sich um die eigentliche Story kümmert, oder lieber tief einatmet und sich durch die übertriebene Anzahl an Zombies vor den Speicherpunkten schlägt. Diese Mechanik übernahm Capcom aus den ersten Resident Evil-Teilen, bei denen man ebenfalls immer entscheiden musste, ob man den langen Weg zur letzten Schreibmaschine zurückläuft, oder mit dem eben erworbenen Gegenstand endlich das nervige Rätsel löst. Sowohl Gesellschaftskritik im Kaufhaus wie auch Resident Evil besitzen keine Kontrollpunkte. Stirbt man, muss der Spielstand geladen werden. Japanische Spieler mögen diese Art von Speichersystemen. Sie lieben es, wenn das Speichersystem ein Teil des Gameplays wird. Vielleicht versteht der eine oder andere nun auch, warum selbst aktuelle J-RPGs noch immer Speicherpunkte nutzen, anstatt den Spieler wie etwa ein Fallout 3 oder Mass Effect 2 jederzeit frei speichern lassen.

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