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Koramu #2

Artikel erstellt von Jens Sobotta am 05.06.2010
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Der Einfluss auf Castlevania lässt sich nicht übersehen: Da wäre unter anderem Simon Belmonts Peitsche „Vampire Killer“, deren Inspirationsquelle auf den Filmklassiker Indiana Jones zurückzuführen ist. Serienbösewicht Dracula ist kein asiatischer Dämon, sondern eine Figur aus dem alten Europa; sein Schloss besitzt eine gotische Innenarchitektur. Im Intro zu Rondo of Blood wurde im Original sogar Deutsch gesprochen, was man als eine Hommage an die alten, deutschen Horror-Klassiker verstehen kann. In den Credits des ersten Castlevanias würdigte man sogar Schauspieler-Legenden wie Bela Lugosi (Mr. Dracula persönlich) oder den Buchautor Bram Stoker, der den weltberühmten Roman „Dracula“ schrieb, wenn man auch die Namen, leicht scherzhaft, etwas abänderte. Trotz der westlichen Einflüsse war Castlevania immer etwas Japanisches. Es hatte einen japanischen Touch, fühlte sich wie ein von Japanern entwickeltes Videospiel an und wirkte, bis auf wenige Ausnahmen, in seiner Mechanik komplett durchdacht. Was den Japanern allerdings nie gelang: Ein gutes 3D-Castlevania zu entwickeln. Die Versuche auf Xbox und PS2 erwiesen sich als schlechte Devil May Cry-Klone ohne Level-Design; über die zwei N64-Episoden hüllen wir lieber am besten den Mantel des Schweigens. Was hat man sich bei Konami also gedacht? Machen wir es wie bei Silent Hill und geben das Projekt Lords of Shadow an ein spanisches Entwicklerteam unter der Führung des britischen Produzenten Dave Cox. Dazu noch Hideo Kojima als Berater (und PR-Maschinerie), Monate später den Titel Castlevania hinzufügen um die westlicher Spielerschaft zu beeindrucken - und fertig ist der God of War-Klon. Ich möchte ehrlich sein: Ich habe Angst vor dem neuen Castlevania. Ich habe Angst davor, dass man alte Tugenden der Serie vergisst oder komplett ignoriert. Ich habe Angst davor, dass Lords of Shadows zu einem Slasher wie besagtes God of War mutiert, inkl. übertriebener Gewaltdarstellung und ab und an auftauchenden Hüpf-Passagen. Dass die Presse das Spiel dennoch über den Klee loben wird, versteht sich natürlich von selbst, denn dafür hat Konami schließlich Hideo Kojima dem Projekt zugeteilt, was ich persönlich ja fast schon als Drohung betrachte. Vielleicht mache ich mir Sorgen um Nichts, vielleicht wird es aber auch das schlechteste Castlevania aller Zeiten.

Wieso japanische Firmen ihre Serien an westliche Entwickler abgeben, lässt sich nur erahnen. Ein Argument wäre, dass die japanischen Entwickler viel zu lange benötigen, um ein Spiel zu vollenden. Gran Turismo 5 befindet sich offiziell seit der Ankündigung der PlayStation 3 in Entwicklung, die ersten Technik-Demos zu Final Fantasy XIII liefen bereits auf der PlayStation 2. Japanische Programmierer tuen sich schwer, eigene Grafik-Engines zu programmieren, was die Entwicklungszeit natürlich deutlich erhöht. In der Zeit, in der Square Enix Final Fantasy XIII entwickelte, kreierte Bioware etwa zwei Mass Effect-Teile. Die Zeit, die Polyphony Digital für Gran Turismo 5 benötigt, benötigt Turn 10 für zwei Forza Motorsport-Titel. Früher war man zu stolz, bei westlichen Entwickler anzufragen, ob man diese oder jene Engine haben kann. Diese Zeiten sind vorbei. Square Enix lizenzierte etwa Epics Unreal Engine 3 für The Last Remnant, auch wenn man damit überhaupt nicht zurecht kam - das J-RPG litt unter Slowdowns und inakzeptablen Ladezeiten. Mit der Herausgabe bekannter Seriennamen scheint sich der japanische Markt dem Westen zu öffnen. Zwar beschimpft man die Xbox 360 noch immer als „batsu box“, sprich schlechte Box, die Bemühungen der hiesigen Industrie sind aber nicht überschaubar. So löblich das auch klingen mag, als Fan darf man sich ruhig fragen, zu welchem Preis dies geschieht? Das vom mittlerweile geschlossenen, schwedischen Studio GRIN entwickelte Bionic Commando war etwa ein Glücksgriff, da man es verstand ein hervorragend funktionierendes, altes Spiel mit einer zeitgemäßen 2,5D-Optik verschmelzen zu lassen. Die selbst erstellen Challenge-Räume bewiesen außerdem, dass man es verstand, worum es in dem Spiel geht. Mittlerweile wurde Bionic Commando Rearmed 2 angekündigt, das von ehemaligen GRIN-Mitarbeitern erschaffen wird. Größte Neuerung: Der Held kann springen. Ich ahne schlimmes.

Vielleicht sehe ich die Situation ein wenig zu kritisch. Vielleicht überspanne ich den Bogen, wenn ich behaupte, dass Videospiele Spiele und keine verkappten Hollywood-Filme sein sollen. Vielleicht sammeln die kreativen Köpfe Japans ihre Ideen für den nächsten, großen Coup. Vielleicht wartet man auf die nächste Konsolen-Generation. Vielleicht tobt man sich zurzeit auf dem Handheld-Markt aus, da man mit diesem im eigenen Land im Moment am meisten Geld verdienen kann. Was auch immer in den Köpfen des Inselstaates vorgeht: Ich weiß, dass sie irgendwann mal wieder zur alten Stärke zurückkehren werden. Bis dahin muss man mit intelligenten, aber nicht sauber entwickelten Ideen auskommen oder mit der Herausgabe von Klassikern wie Silent Hill oder Castlevania an den Westen leben. Ich habe nur eine Bitte: Übertreibt es nicht. Denn spätestens seit Dante's Inferno wissen wir, was passiert, wenn ein Entwicklerteam etwas kreieren möchte, von dem es absolut keine Ahnung hat: Vergewaltigung. Im Falle von Electronic Arts' God of War-Klon starb ein Stück Literaturgeschichte. Alles was mir dazu noch zu sagen bleibt: Klickt. Und weint.

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